Vergessen (Teil 1)
Dunkelheit und Stille. Nichts.
Keiner seiner Sinne nahm etwas wahr. Sowohl die physischen Sinne, als auch die magischen Sinne waren blind. Denken und fühlen waren fremde Konzepte. Sein Geist war vernebelt, alles war betäubt.
Was war passiert?
Wo war er?
Wer war er?
Zeit verstrich. Ob Jahre oder Sekunden, konnte er nicht sagen.
Doch dann erschien etwas vor ihm. Das endlose Nichts wurde von einer plötzlichen Präsenz durchbrochen. Wie ein goldenes Licht, ein warmes Feuer oder die Umarmung eines geliebten Elternteils wiegte ihn diese Präsenz in Wohlbefinden. Sie erschien sanft, gutmütig und begann sich, zu seinem Entsetzen, langsam wieder zu entfernen. Mit aller Kraft versuchte er sich zu regen, um auf diese Präsenz, dieses plötzliche Etwas in dem endlosen Nichts zu reagieren, doch sein Körper versagte.
Sein ... Körper?
Hatte er überhaupt so etwas wie einen Körper?
War er ein Wesen aus Fleisch und Blut?
Oder war er nur eine einsame Idee, dazu verdammt für einen Moment hell aufzuflackern und dann vom Strom der Zeit davon gerissen zu werden?
Im Strom der Zeit verschwanden schließlich sowohl seine Fragen, als auch die wohlige Präsenz. Er konnte sich nicht bemerkbar machen. Das Nichts war alles, was ihm blieb.
Äonen oder Augenblicke später kehrte die Präsenz wieder zurück. Erneut spürte er, wie sie sich näherte und versuchte dieses Mal mit voller Kraft sich auf sie zu konzentrieren. Sie wirkte anders auf ihn, als das erste Mal. Sie hatte keine wohlige Wärme, kein Licht und erzeugte auch kein Geräusch. Kein physischer Sinn könnte dieses Gefühl beschreiben. War sie magischer Natur? Nein, auch das nicht, als Magier hätte er das sofort gemerkt. Magier? Ja natürlich, er war ein Magier. Überrascht von der plötzlichen Einsicht, ließ er die Präsenz fast entgleiten. Er musste die Einsicht erst verwerfen, bevor er sich seinem Ziel wieder widmen konnte.
Ziel. Die Präsenz war ein Ziel! Sie war eine Bestimmung, ein Schicksal!
Ein leises Klackern von Knochenwürfeln rollte durch seine Gedanken. Eine ferne Erinnerung, kurzlebig und flüchtig.
Rief die Präsenz diese Erinnerungen in ihm hervor? Er konzentrierte sich erneut und spürte sie nun klar vor sich. Ein ätherischer goldener Faden des Schicksals, welcher die Ereignisse seines Lebens mit einem größeren Ganzen verband. Wenn er diesen Faden ergriff, konnte er dann sein Leben und seine Existenz zurück erlangen? Wollte er das überhaupt? Im Nichts gab es keine Gefahren, keine Probleme und keinen Streit. Hier war es friedlich.
Der goldene Faden zuckte und leuchtete plötzlich hell auf.
Das Lachen eines kleinen Mädchens hallte durchs Nichts und in ihm blitzte eine Erinnerung auf. Ein Schopf roter Haare, der bei der Heimkunft freudig zu ihm gerannt kam um ihn zu begrüßen.
Damit war die Entscheidung getroffen. Er ergriff den goldenen Faden und Erinnerungen durchfluteten ihn.
Eine Feier, eine Bühne, ein Fest zu ihren Gunsten. Er sah ein Mädchen mit einem dunklen Pakt, einen Streuner am Rande des Abgrunds, eine Tochter des Mondes, ein Gotteskind in einer Glaubenskrise und einen rechtschaffenen Scharlatan. Sie waren seine Freunde und zwischen ihnen wandelte er selbst. Doch wer war er? Die Anderen sah er klar. Doch er selbst war nichts weiter als ein detailarmer Schemen. Was war er. Er war ein Magier, ein Teil dieser Gruppe, ein ... — der Faden entglitt ihm wieder. Verzweifelt versuchte er sich an etwas, irgendetwas zu klammern, doch er fiel zurück ins Nichts.
Eine Hand fing ihn auf und ließ ihn nicht wieder fallen. Sie packte ihn und half ihm wieder hoch. Sie schenkte ihm Sicherheit. Er sah eine Frau vor sich. Sie lächelte und ihre rote Mähne leuchtete wie die Glut eines Kamins. Mächtig, beruhigend und wunderschön. Ein Leuchtfeuer in der Nacht. Sie hielt seine Hand und ganz natürlich verfiel er in einen sanften Tanz mit ihr. Mit seiner Freundin, seiner Partnerin, seiner Ehefrau. Ellischa. Sie war alles für ihn. Er lächelte und genoss den Tanz, bei dem jeder Schritt weitere Erinnerungen aus dem Äther zurück rief. Die Präsenz, der goldene Faden, umrankte ihre Hände wie ein Versprechen. Band sie zusammen. Ließ sie nicht auseinandergleiten.
Einst rannten zwei Kinder durch den Wald und spielten mit Magie und Schwert.
Einst flohen zwei junge Erwachsene von Zuhause, und begaben sich auf die Suche nach einem Mörder.
Einst schlossen zwei Liebende einen Pakt der ewigen Verbundenheit.
Einst blickten zwei Eltern voller Stolz in die Augen ihrer Tochter.
Sie tanzten durch ihr Leben und durch seins. Zusammen lachten und weinten sie. Zusammen kämpften sie gegen das Vergessen an. Es wollte ihn zurück, ihn erneut verschlingen, ihn wieder in die endlosen Tiefen des Nichts ziehen. Das Vergessen wollte ihn niemals entkommen lassen. Doch zusammen ließen sie das nicht zu. Sie tanzten immer weiter, bis all seine Erinnerungen zurück waren und er erkannte wer er selbst war. Zusammen. Er war nicht allein. Er war niemals allein. Er war ein Teil von dem Leben anderer. Er war Teil von Geschichten und ein Teil von Träumen. Er war mit dem großen Ganzen verbunden. Er war ein Vater, ein Ehemann, ein Professor, ein Lehrer, ein Erfinder, ein Held, ein Magier und vor allem eins: ein Abenteurer.
Darion erkannte wer er war. Er hatte den Faden des Schicksals fest im Griff und ließ ihn nicht entgleiten.
Also schrie er in das Nichts. Er schrie seinen eigenen Namen, auf das er niemals vergessen werden würde. Mit ihm sandte er all die Erinnerungen die er besaß.
Er erwachte.
Wie er später erfahren sollte, schrie er in diesem Moment seinen eigenen wahren Namen. Mit ihm bändigte er die Regeln des Universums nach seinem eigenen Willen und erlangte Realität. Dies war der erste Schritt in seinem Aufstieg und das erste Puzzleteil vom Ende der Geschichte.
Musikempfehlung
You were a wanderer back when you were young
I remember your eyes were clear, brighter than the sun
With hands so soft, delicate and sweet
You learned to fall, and balance on your own two feet
I could only lead you so far
I believe in who you are
Take the world by storm
Muster all your strength
Embrace the forces that surround you
Bend gravity and space
You are a child of the stars
Shout what has been unsung
Open all the doors around you
Use the power in your lungs
I could only lead you so far
I believe in who you are