Göttermord (Teil 1)

Publiziert am 1.02.2025
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Die Hitze in den unteren Ebenen des Monuments von Phia war für Gruul schon lange zur Gewohnheit geworden. Tag ein, Tag aus schuftete er hier als Schlepper. Jeden Morgen brachte er die Erze der Nachtschicht aus den Minen hinauf zur großen Schmiede und jeden Abend machte er das Gleiche für die Erze der Tagesschicht.
Dies war die unterste von insgesamt fünf Ebenen des Monuments. Die Erze aus den Minen wurden hier in hunderten metallenen Öfen geschmolzen, gereinigt und dann direkt von den Schmiedearbeitern weiterverarbeitet. Tausende schufteten hier pausenlos in der glühenden Hitze. Ein Stechen des Mitleids durchfuhr Gruuls Herzen, als er beobachtete, wie einer der Schmiedearbeiter vor Erschöpfung zusammenbrach und von den Schergen des Einen weggeschafft wurde. Er konnte nichts tun, um ihm zu helfen.
Gruul schüttete die Erze seiner Lieferung in einen dunklen Schacht und sah zu, wie sie auf mehrere Fließbänder verteilt und zu den Schmelzöfen transportiert wurden. Ein Schrei war in der Entfernung zu hören. Eine weitere Seele war nun frei.

Der Beruf des Schleppers war ein niederer, aber ehrenhafter Beruf. Ohne die Schlepper würde das Blut des Monuments nicht fließen, was den Tod des Monuments und damit all seiner Bewohner bedeuten würde. Im Gegensatz zu den Minenarbeitern, den Gärtnern oder den Webern standen die Schlepper niemals still. Sie arbeiteten unabdingbar, um das ganze Monument mit Rohstoffen zu versorgen. Zwischen den morgendlichen und abendlichen Erzlieferungen führte Gruul meist Lieferungen zwischen den Handwerkern und den Händlern auf dem großen Markt der zweiten Ebene aus. Nur selten erreichte ihn ein Auftrag für eine Lieferung in die dritte Ebene, der Gärten, und noch seltener Aufträge für die vierte Ebene, den Gemächern der Priester und Architekten. Die fünfte Ebene hatte weder Gruul noch irgendjemand, den er persönlich kannte, jemals betreten.
Doch Gruul war stolz auf seinen Beruf. Jahrelang hatte er dafür geschuftet und seinen Körper immer wieder über seine natürlichen Grenzen hinweg strapaziert. Er verdiente genug, um eine eigene Kammer zu haben, konnte hin und wieder die Gärten betreten und hatte genug Freizeit für ein Privatleben. Und in dieses Privatleben tauchte er nun, nach seiner abendlichen Erzlieferung, ein.

Er stieg die äußerste westliche Treppe zur zweiten Ebene hinauf. Diese Treppe nahm er bewusst, da nach ihrer 63. Stufe ein handbreiter Spalt in der metallenen Außenwand des Monuments klaffte. Vor einigen Jahren riss ein Zhur‘sh, ein gigantisches Insekt mit riesigen messerscharfen Zangen, ihn bei einem Angriff auf das Monument in die Außenwand. Durch den Spalt konnte Gruul einen Blick auf die Außenwelt werfen. Meist sah er dort nur ein rotes Chaos aus Sand und Wind, doch manchmal, wenn die andauernden Sandstürme zu Boden sinken, konnte er einen Blick auf die Sterne werfen. Diese Momente ließen ihn hoffen, auf ein besseres Leben, auf etwas Größeres. Heute war leider nicht so ein Tag. Die Sandstürme tobten und verdeckten seine Sicht.

Gruul betrat die Marktebene. Am zentralen Sammelpunkt der Schlepper gab er seine restlichen Aufträge an seine Ablösung zur Nachtschicht ab und begab sich in seine wohlverdiente Pause. Auf dem Markt waren die Priester des Einen wieder dabei, ihre Litaneien von Ergebenheit, Strafe und Erlösung zu rezitieren. Ihre weißen Gewänder verdeckten ihre buckligen, entstellten Körper und ihre Schleier verdeckten ihre zernarbten Gesichter. Voll Abscheu schritt er an ihnen vorbei, ohne ihnen auch nur einen Blick zu schenken.
Er trat in die Schlange vor der Kantine und beobachtete die Schankwirte bei der Arbeit. Als er dort einen bestimmten Wirt erspähte, lächelte er schelmisch und zerrte seine Kleidung zurecht. Nrii, war ein ausgesprochen attraktiver Mann. Seine schwarzen Hörner bogen sich zwei Handbreit neben seinem Kopf in einer Spirale nach vorn und goldener Schmuck baumelte von ihnen herab. Seine raue, dunkle Haut glänzte schweißbenetzt im Licht der Flammen und seine orangenen Augen loderten vor Charme. Trotz der jahrelangen harten Arbeit, hatte er einen schmalen Körperbau gewahrt und sein verspieltes Lächeln konnte jeden noch so grimmigen Gesellen für sich gewinnen. Die Reihe verkürzte sich immer weiter, als sich die Arbeiter vor Gruul nach und nach ihre Teller und Krüge nahmen. Heute gab es eine Art Eintopf mit Wurzelgemüse und einer kleinen Menge Choa-Fleisch, also das gleiche wie gestern und dem Tag davor. Doch heute konnte er mehr von dem Essen erwarten, denn wenn Nrii die Essensausgabe übernahm, landete meist etwas mehr Fleisch auf seinem Teller. Gruul trat an die Ausgabe, setzte sein bestes Lächeln auf und sagte in einem vornehmen Ton: »Oh, was für ein hübsches Gesicht begrüßt mich denn heute hier? Ich bin neu hier. Dürfte ich euren Namen erfahren?«
Nrii lächelte und erwiderte spielerisch mit einer ausfallenden Verbeugung: »Ich bin der große Nrii Gulvari. Der höchste aller Köche der untersten Kantine im großen Monument von Phia. Der Erschaffer des nahrreichsten Eintopfs, den das Monument je gesehen hat. Oh edler Kunde, was darf ich euch heute geben?«
Sie grinsten beide, als sie in ihr allseits bekanntes Spiel verfielen. Ein Ritual, welches sie beide nicht missen wollten. Gruul hatte seine Antwort bereits auf den Lippen, noch bevor Nrii seinen ersten Satz beendete: »Oh werter Herr Gulvari, wie wäre es denn mit der heutigen Hauptspeise. Eintopf nanntet ihr diese ausgefallene Speise? Ich bin mir sicher, sie wird vorzüglich sein.«
»Es soll mir ein Vergnügen sein. Hier nehmt ein wenig von dem Fleisch, was ich als Begrüßungsgeschenk für euch zur Seite gelegt habe. Kann ich euch sonst noch irgendwie weiterhelfen?«
Gruul nahm den Teller entgegen und beugte sich nach vorn um Nrii etwas zuzuflüstern: »Mir weiterhelfen? Aber natürlich. Ich würde gerne mehr über den höchsten Koch erfahren. Wäret ihr gewollt, mich heute Abend in meiner Kammer zu treffen? Sagen wir, in zwei Stunden?«
Nrii beugte sich als Antwort vor und gab Gruul einen Kuss auf die Wange. Blitze des Verlangens zuckten durch Gruuls Körper. Dieser Abend war wunderbar. Er war ein Abend der gemeinsamen Lust und ein Abend der gemeinsamen Ruhe. Als Gruul und Nrii schließlich auf dem Bett in Gruuls Kammer zusammensackten, schlummerten sie ein. Auf der zweiten Ebene des Monuments, weit unter der Sandsturmdecke Phias, bemerkte niemand, dass in dieser Nacht, hunderte Meter über dem Monument, ein riesiges Schiff in der Luft erschien.

Gruul erwachte, als das Geläut der schweren Eisenglocken die Luft in der Kammer zum Erzittern brachte. Ein Angriff. Er rüttelte den verschlafenen Nrii wach, warf sich ein paar Sachen über, gab Nrii einen Kuss und sagte: »Ich schau nach was passiert. Bleib in Sicherheit und pass auf dich auf.«
Nrii hielt seine Hand und blickte Gruul tief in die Augen: »Gruul. Du lässt mich hier nicht zurück. Wir gehen zusammen!«
Gruul grunzte und nickte widerwillig. Gemeinsam verließen sie die Kammer.

Draußen regierte das Chaos. Schlepper, Händler, Schmiede — Arbeiter jeden Berufs eilten panisch in Richtung der Treppen zur dritten Ebene. Der Ursprung für dieses Chaos war sofort klar: Ein riesiges Loch war in die Seite des Monuments gerissen. Der tobende Sandsturm drang in das Monument ein und ein lautes Klacken von Chitin auf Metall war zu hören. »Zhur‘sh!«, schrie einer der Schergen des Einen, als er aus dem Sandsturm in ihre Richtung floh. Er schleifte einen seiner Gefährten mit sich, doch von diesem war nur noch die obere Hälfte intakt. Gruul packte Nriis Hand und sie rannten in Richtung der nächsten Treppe. Auf den Treppen herrschte ein ähnliches Chaos. Die Schergen, die eigentlich für die Einlasskontrolle der dritten Ebene vorgesehen waren, lagen bereits blutend am Boden. Es war offensichtlich, dass kein Monster für diese Wunden verantwortlich war.
Im Gedränge der Flüchtlinge aus den unteren Ebenen hielten Nrii und Gruul einander fest. War der Tag der Strafe gekommen, der von den Priestern des Einen angekündigt wurde? Sie wussten es nicht. Auf der dritten Ebene angekommen, sahen sie, dass der Schaden am Monument weitaus größer war, als sie auf den unteren Ebenen erahnen konnten. Es war nicht nur ein einfaches Loch in der Außenwand des Monuments. Wie durch den Schlag eines gigantischen Schwerts, war die komplette Ostseite des Monuments aufgeschlitzt. Auf jeder Ebene drangen Sand und Monster in das Monument ein. Die Gärten brannten. Die Nachrungskammern waren zerstört. Dies war der Untergang. Die einzige Hoffnung lag bei dem Einen, ihrem Gott, der seit der Befreiung von den Dämonen über den Bau des Monuments wachte. Sie folgten dem Strom der Flüchtigen hinauf in die vierte Ebene. Es war das erste Mal, dass Nrii die großen Hallen und luxuriösen Kammern der Architekten und Priester sah. Doch er hatte keine Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, was er hier sah. Schließlich kamen sie bei der letzten Treppe des Monuments an, der Treppe zur fünften Ebene des Monuments, der Treppe des Einen.

Vor wenigen Minuten hätten die beiden es sich nicht erträumen können, jemals auch nur einen Fuß auf diese Treppe zu stellen, doch sie rannten um ihr Leben und folgten weiter dem Strom der Fliehenden. Oben angekommen, fanden sie sich auf einem großen, dreieckigen Platz aus weißem Stein wieder. Über ihnen war die Decke hoch und unvollständig. Durch mehrere, in Bau befindliche Löcher in der Decke des Monuments, war der Sternenhimmel zu sehen. Gruul riss seinen Blick davon los, um sich einen Überblick über das Chaos zu verschaffen.

In jeder Ecke des Platzes schwebte ein schwach leuchtender Orb über einer beschrifteten Plattform. Offenbar hießen die Orbs Nagra, Enop und Thyke. Benannt nach den Monden Phias. In hellen Blitzen erschienen Gruppen von Personen vor diesen Orbs. Sie sahen fremdartig aus. Solche Leute hatten sowohl Gruul als auch Nrii bislang nur in den alten Schriften der Priester gesehen. Die schlangenartigen Bewohner Nagras, die gefiederten Bewohner Enops und die zierlichen, bleichen Bewohner Thykes mit ihrer durchscheinenden Haut kamen vor den Orbs ihrer Monde auf der fünften Ebene des Monuments an. Sie alle wirkten geschockt, doch war ihr Entsetzen eher an die Arbeiter des Monuments gerichtet. Offenbar war das Gefühl der Fremdartigkeit beidseitig.
Ein Priester des Einen erhob seine Stimme über das Chaos und alle verstummten: »Der Tag der Strafe ist endlich gekommen. Vor zweitausend Jahren verdammten die Bewohner Phias sich selbst, indem sie mit den Dämonen paktierten und wurden deswegen gezeichnet. Heute werden wir sehen, ob der Eine sie für ihre Sünde verdammen oder retten wird.«

Eine Explosion erschütterte den Platz. Ihre Blicke schossen nach oben und sie sahen, wie sich Teile der Decke ablösten und als riesige Brocken von Metall und Stein zu Boden fielen. Eine Gruppe von Arbeitern wurde unter ihnen begraben. Nrii packte Gruuls Hand fest und versuchte ihn wieder eine Etage nach unten zu ziehen, doch immer mehr Arbeiter drängten sich nach oben und versperrten jeglichen Fluchtweg.
Weitere Explosionen erschütterten den Raum.
Die Priester verfielen in ein Klagegebet.
Gruul starrte nur nach oben. Immer wieder sah er zwei Schemen aus Licht blitzschnell über den Himmel fliegen, konnte jedoch keinerlei Details erkennen. War das der Eine, der für ihre Rettung kämpfte?

Schließlich erklang ein helles, ohrenbetäubendes Kreischen und alle Arbeiter fielen auf ihre Knie. Das Kreischen hielt mehrere klägliche Minuten an, bis es schließlich abrupt stoppte. Noch immer hielten Gruul und Nrii sich an den Händen. Pure Angst stand in ihren Gesichtern. Jemand fragte: »Ist es vorüber? Sind wir gerettet?«

Ein feuerrotes Licht durchflutete den Himmel und etwas schwebte zu ihnen herab.
Es war eine Person, doch unvergleichbar mit allem, was Gruul je gesehen hatte. Dieses Wesen hatte eine helle Haut, tätowiert mit himmlischen Runen und riesige Schwingen aus Feuer. Seine Haare und Augen brachen das Licht wie Edelsteine. Das Wesen trug eine enge, elegante Rüstung aus schwarzem Metall, durchdrungen von feuerroten Linien. In seiner rechten Hand trug das Wesen ein geflügeltes Schwert, in seiner Linken hielt es einen Kopf.
Der Kopf gehörte einem Wesen, das in seinen Merkmalen den Bewohnern von Thyke ähnlich sah. Er war bleich, hatte transparente Haut und weiße Haare. Blaues Blut tropfte von ihm herab zu den Zuschauern.
Gruul erkannte den abgetrennten Kopf des Einen und das plötzlich ertönende, verzweifelte Gewinsel der Priester bestätigte ihn. Also war es passiert. Der Eine war tot. Getötet von diesem Wesen aus Feuer und schwarzem Stahl. Schock stand in der Luft und das Wesen sprach in einer hallenden, tiefen Stimme: »Seid befreit, Bewohner von Phia. Die Unterdrückung der Götter soll nicht länger auf euch lasten.«
Es ließ den Kopf des Einen zu Boden fallen und wandte sich aufwärts. Ein lautes Rauschen näherte sich und ein gigantisches Schiff bewegte sich in das Blickfeld über ihnen. Ein grelles Licht blendete sie und eine Armee trat daraus hervor. Ritter in silberner Rüstung. Mit roten, gelben und grünen Stoffen gefüttert. Allesamt bewaffnet und durchorganisiert. Ihre Wappen trugen ein geflügeltes Schwert.

Eine alte Frau trat vor. Sie war von einem Volk, das Gruul nicht kannte. Weder Hörner, noch Federn, noch Schuppen, noch durchsichtige Haut zierten ihren Körper. Sie war viel kleiner als er, strahlte jedoch mehr Autorität aus, als die Schergen des Einen es je könnten. Ihre langen grauen Haare waren zurückgebunden und sie blickte sich durch eine Brille auf dem Platz um.
Nachdem sie die Lage überblickt hatte, sprach sie etwas zu ihren Untergebenen und wandte sich an die Bevölkerung des Monuments: »Ich grüße euch, werte Bewohner Phias. Ich bin Rinora, Generalin der Neuen Bruderschaft. Ich bin hier im Auftrag des Hohenpriesters Ahnstein, dem Gefährten des Cas.«
Sie wartete einige Momente, um ihren Zuhörern die Möglichkeit zu geben, die Informationen zu verarbeiten, bevor sie weitersprach: »Heute hat euch der hohe Gott Cas befreit. Er hat einen Gott getötet, der euch bislang zur Seite stand. Als Tyrann oder als Benefiz ist einerlei. Wichtig ist, dass ihr nun frei seid. Denn Götter sind eine Plage, die fast alle Welten befallen hat. Dieser Plage nimmt sich der hohe Gott Cas an, indem er sich gegen die Seinen stellt. Deswegen folgen wir ihm. Deswegen kämpfen wir für ihn. Für Freiheit aus der Asche.«
Die letzten Worte wurden von den Soldaten hinter ihr in einem lauten Ruf wiederholt und sie stießen ihre Schilde und Waffen für ein lautes Klappern aneinander. Aus den verschiedenen Gruppen der Anwesenden kamen Leute auf die Generalin zu.

Gruul und Nrii waren weit von der Generalin entfernt. Noch immer waren sie im Schock. Nrii starrte die Leichen der Arbeiter an, die nur wenige Meter vor ihnen von einem Steinbrocken der Decke zerschmettert wurden. Er sprach mit zitternder Stimme: »Frei? Sie haben das Monument zerstört. Gruul, die Gärten sind hinüber, die Nahrungskammern sind zerstört und Monster lauern in unserem Zuhause. Wir werden verhungern… Und sie nennen es Befreiung?«
Gruul zog ihn tröstend an sich und blickte hinauf zu Cas, dem Göttertöter, dem Befreier. Cas schwebte über der Generalin und hatte die Augen geschlossen. Dann streckte er die Hand aus und die Halle wurde in rotes Licht gehüllt. Die herabgestürzten Steinbrocken und die Leichen unter ihnen verfielen zu Asche. Plötzlich setzte sich jemand aus der Asche wieder auf. Es war einer der zerschmetterten Arbeiter. Neben ihm setzten sich weitere wieder auf. All die Toten standen aus der Asche wieder auf. Ihre Augen glänzten im selben Schein der Augen des Gottes, der sie umgebracht hatte.
Cas öffnete danach die Augen und schien Gruuls Blick zu erwidern. Er lächelte, schlug kräftig mit den Flügeln und verschwand im Himmel über dem Monument.

Ein Kreischen war zu hören und außerhalb des Monuments flog ein Schwarm geflügelter Wesen hinab in den Sandsturm. Soldaten der Neuen Bruderschaft ritten auf ihnen. Die Generalin sprach erneut zu allen Anwesenden: »Ich bin sicher, wir wirken auf euch wie Monster, Eindringlinge und Gotteslästerer. Doch ich versichere euch, wir sind euch wohlgesinnt. Cas hat die Opfer des heutigen Tages bereits wiederbelebt. Unsere Soldaten sind gerade dabei, die Monster aus den unteren Etagen dieses Gebäudes zu entfernen und die Schäden im Gebäude zu sichern. Wir werden euch mit Material, Nahrung und unseren Soldaten beim Wiederaufbau zur Seite stehen, damit ihr sicher in eure Freiheit gehen könnt.«
Die Bewohner des Monuments waren argwöhnisch. Die Bewohner der Monde waren empört. Die Priester knieten vor dem Kopf ihres toten Gottes und klagten.

Tage vergingen und das Monument wurde wieder repariert. Die Neue Bruderschaft hielt ihre Versprechen. Gruul und die anderen Schlepper transportierten Baumaterial, während Nrii und die anderen Köche die Baumannschaft mit Nahrung versorgten. Abends saßen sie mit den helfenden Soldaten zusammen und erzählten einander Geschichten. Gruul lauschte fasziniert den Geschichten der Neuen Bruderschaft. Krieger, die auf einem Schiff durch die Sterne reisten und Götter bekämpften. Nrii sah das Leuchten in seinen Augen und als sie abends wieder in Gruuls Kammer beisammen waren, sprach er das Thema an: »Du willst mit Ihnen gehen, nicht wahr?«
Gruul fühlte sich ertappt, schüttelte den Kopf und gab dann seufzend nach: »Ich würde gerne. Aber ich werde dich hier nicht zurücklassen. Außerdem glaube ich nicht, dass sie Dämonenbrut aufnehmen würden. Sie folgen immerhin einem Gott.«
Nrii blickte ihm lange in die Augen, küsste ihn und zog ihn an sich.
»Wer sagt, dass ich dir nicht folgen würde, Gruul?«
Gruul starrte ihn fassungslos an, knurrte und Feuer trat in seinen Blick. Er packte Nrii, warf ihn unter sich und gab sich der Ekstase hin.

Am nächsten Tag ging eine Prozession durch die fünf Ebenen des Monuments. Mittelpunkt dieser Prozession war ein Mitglied der Neuen Bruderschaft. Er sah besonders aus und schien von höherem Rang als Generalin Rinora zu sein.
Er trug einen schmalen Oberlippenbart, graue zurückgekämmte Haare, eine schwarze Rüstung und ging an einem Gehstock. Er blieb auf dem Marktplatz stehen und wartete, bis sich eine Gruppe um ihn herum sammelte. Dann sprach er in lauter Stimme: »Ich grüße euch, Bewohner Phias. Mein Name ist Samuel Ahnstein. Ich bin hier als oberster General der Neuen Bruderschaft und als Hohepriester des Cas. Ich möchte mit euch reden und schauen, ob ich euch für unsere Sache begeistern kann.«
Einer der Priester des Einen drängte sich vor und sprach mit lauter, zischender Abneigung: »Wie ich euch schon gesagt hab, lohnt es sich nicht, hier nach unten zu kommen. Hier existiert nur die Dämonenbrut. Sie wurden vom Einen dazu verdammt für die Frevel ihrer Ahnen zu schuften.«
Die Augen des Generals begannen feuerrot zu leuchten und er prüfte die Arbeiter mit seinem Blick. Das Licht erlosch und er schüttelte grinsend den Kopf. »Ihr irrt euch, Priester. Das ist keine Dämonenbrut. Das hier sind Kinder eines Gottes. Dämonen mögen ihre Körper einst so geformt haben, doch euer Gott hat diese Eigenschaft erhalten. Als Priester müsstet ihr doch selbst schon lange erkannt haben, dass sie keine dämonische Essenz in sich tragen?«
Der Priester stammelte geschockt vor sich hin und der General trat einen Schritt zur Seite, als zwei der Schmiedearbeiter den Priester packten und mit sich zogen. Der General wandte sich zu den verbleibenden Arbeitern, darunter auf Gruul und Nrii. Er machte ihnen ein Angebot, dass sie nicht ausschlagen würden.
Ein Schrei war in der Entfernung zu hören. Eine weitere Seele war nun frei.

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